Erfolg messbar machen: Mit OKR-Modulen zum Ziel
S. Palm, M. Köppl & E. Sauvonnet
Mit ihrer Vision ‚Menschen zu helfen ihre persönlichen Ziele zu erreichen‘ unterstreichen die Leipziger Verkehrsbetriebe (LVB) ihr Verständnis als Mobilitätsdienstleister der Stadt Leipzig und Region.
Der Marketingbereich hat dabei die Aufgabe das passende Produkt zu den Mobilitätsbedürfnissen der Menschen zu designen. Sei es das eigene Angebot von Straßenbahn, Bus und On-Demand Verkehr zu planen oder mit Partnern erweiterte Mobilitätsformen zu integrieren. Das strategische Marketing, der B2B und B2C Vertrieb, das Kundenbeziehungsmanagement, die Tarifentwicklung & Einnahmeplanung sowie die klassischen Vertriebssysteme und neuen digitalen Möglichmacher, wie die MaaS Plattform und On-Demand Software liegen in der Verantwortung des Bereichs Marketing.
Ausgangslage im Bereich Marketing der Leipziger Verkehrsbetriebe
Um den sich gewandelten Rahmenbedingungen der ÖPNV-Branche Rechnung zu tragen, haben die Leipziger Verkehrsbetriebe in 2022 ihre neue Unternehmensstrategie „MobiLE“ verabschiedet. Zentraler Bestandteil der Strategie sind unternehmensweite Ziele im Rahmen einer Balanced Score Card. Vor diesem Hintergrund stand der Marketingbereich vor der Herausforderung, die strategische Stoßrichtung von „MobiLE“ auf den Marketingbereich herunterzubrechen, die bestehenden Marketingziele mit den Unternehmenszielen zu synchronisieren und um neue, komplementäre Ziele zu erweitern. Da die Marketingziele zu diesem Zeitpunkt noch nicht an die neue Strategie adaptiert, Zielverantwortlichkeiten nicht vollumfänglich geklärt und die bestehenden Ziele in Teilen nicht hinreichend messbar waren, wurde zu Beginn des Projektes festgelegt, neben einer an MobiLE ausgerichteten Marketingstrategie auch ein neues Zielsystem für den Marketingbereich zu entwickeln.
Um der Komplexität der verschiedenen Zieldimensionen aus der Unternehmensstrategie (Fahrgäste, Finanzen, Klima, etc.) einerseits, dem Anspruch einer kundenzentrierten Strategie- und Zielausrichtung andererseits gerecht zu werden, wurde gemeinsam mit dem Fachbereich beschlossen „Objectives & Key Results (OKR)“ als Rahmenwerk für die Zieldefinition heranzuziehen. Mit OKR als Framework konnte methodisch ein klarer Fokus auf den Kunden in der Zielformulierung sichergestellt und auch der Maßgabe entsprochen werden, dass trotz der Langfristigkeit der Ziele bis 2030, konkrete Meilensteine entlang der Zeitleiste definiert werden. Gleichzeitig ermöglicht der OKR-Ansatz jedoch auch, flexibel auf sich ändernde Rahmenbedingungen und die hohe Dynamik im Markt zu reagieren (z.B. Deutschlandticket). Um sowohl die Schnittstelle zwischen den Marketingzielen und den Zielen des Unternehmens (Balanced Scorecard) als auch die Praktikabilität im Tagesgeschäft zu gewährleisten, wurde entschieden, sich bei der Definition der Ziele an Modulen des OKR-Frameworks zu orientieren, ohne dabei jedoch OKR als zusätzliches, vollständiges Zielmanagementsystem einzuführen.
Objectives and Key Results und die zentralen Module
OKR ist ein agiles und adaptives Management-Framework, das die Ziele des Unternehmens mit den Zielen der Teams verbindet und dabei für mehr Transparenz und Fokus sorgt. Ursprünglich wurde es von Intel entwickelt und später von vielen Technologieunternehmen im Silicon Valley, einschließlich Google, übernommen. OKRs helfen Organisationen, ihre Ziele klar zu definieren und zu messen, wie Fortschritte auf diese Ziele hin erzielt werden.
Dabei beschreiben Objectives, qualitativ was erreicht werden soll. Sie sind klar, inspirierend und herausfordernd formuliert. Key Results messen den Erfolg, sie zeigen, wie das Objective erreicht werden soll und enthalten klare Metriken und Zielwerte, die angeben, wann ein Key Result als erfüllt gilt.
Folgende Kernelemente sind die zentralen Bestandteile des OKR-Frameworks:
- Kundenorientierung: Objectives haben immer einen Kundenbezug: Kunden können dabei Privatkunden, Geschäftskunden oder interne Kunden im Unternehmen sein
- Fous und Ausrichtung: Die Konzentration auf die wesentlichen Ziele führt zu einer eindeutigen Zielhierarchie. Die Ziele zahlen alle auf die Unternehmensziele ein
- Outcome-Orientierung: Welchen Mehrwert oder Nutzen (Outcome) erzielt das Unternehmen für seine Kunden, Nutzer oder Zielgruppen mit erarbeiteten Ergebnissen (Output)
- Commitment und Alignment: Durch die gemeinsame Entwicklung der Ziele in einem Top-Down und Bottom-Up Ansatz sind alle Beteiligten bei der Zielformulierung dabei
- Transparenz: OKRs werden allen zugänglich gemacht, sodass jeder jederzeit sehen kann, woran andere arbeiten, deren Ergebnisfortschritt und wie es zur Gesamtstrategie beiträgt
- Erfolgskontrolle: Fortschritte auf die OKRs werden regelmäßig überprüft
Diese – teilweise adaptierten – Kernelemente finden sich auch im Zielsystem des Marketingbereichs der LVB wieder.
Ansatz: Zentrale OKR-Module zur Erstellung des Zielsystems
Um den OKR-Ansatz für den Marketingbereich der LVB nutzbar zu machen, wurde im Rahmen von Workshops mit den Führungskräften analysiert, welche Module für die erfolgreiche Definition des Zielsystems sinnvoll sind. Fachliche Ausgangslage dafür bildete die Schärfung des Produktbegriffs im ÖPNV. In der Projektarbeit wurde schnell deutlich, dass ÖPNV aus Kundensicht mehr darstellen muss als das eigentliche Verkehrsangebot. Übersichtliche Tarifstrukturen, Einfachheit bei der Buchung, Verlässlichkeit in puncto Abfahrts- und Ankunftszeiten, Flexibilität in der Verkehrsmittelwahl und Kundenorientierung im Service stellen ebenso zentrale Dimensionen im ÖPNV-Marketing dar. Vor dem Hintergrund dieses erweiterten Produktbegriffes wurde der Kundenwert in den Mittelpunkt der Strategie- und Zielausrichtung gestellt: Zum einen wurde als strategische Stoßrichtung festgelegt, mit allen Facetten des Marketings konsequent einen Mehrwert für den Kunden zu schaffen. Andererseits wurde der Wert des individuellen Kunden für die LVB zum zentralen Dreh- und Angelpunkt im Zielsystem. Jeder zusätzliche Fahrgast erzielt für das Unternehmen einen ökonomischen Wert in Form von Fahrgeldeinnahmen sowie einen ökologischen Wert in Form von eingespartem CO2-Ausstoß gegenüber einer Fahrt mit dem MIV. Mit diesem Kundenwertansatz gelang es sowohl die Kundenzentrierung der Marketingstrategie auf das Zielsystem zu übertragen als auch die Balance zwischen den Zieldimensionen der Unternehmensstrategie – Kunde, Finanzen, Klima – herzustellen.
Mit diesem konzeptionellen Überbau wurden in weiteren Workshops spezifische Objectives je Zieldimension gesammelt und in der Folge anhand von messbaren Key Results operationalisiert. Unter der Maßgabe eines schlanken und praktikablen, aber dennoch vollständigen Zielsystems wurden so die wesentlichen Ziele des Marketingbereichs definiert und mit entsprechenden Unterzielen angereichert. Um die Verbindlichkeit des Zielsystems zu gewährleisten, wurden die jeweiligen Ziele mit den Abteilungen des Bereichs vernetzt und je Ziel verantwortliche Teams festgelegt. Abschließend haben die Zielteams gemeinsam entlang des Zeithorizonts der Marketingstrategie bis 2030 für alle definierten Ziele, die zu erreichenden (Jahres-)Zielwerte definiert.
Operationalisierung des LVB-Zielsystems
Zur Untersetzung der festgelegten Marketingziele wurden ausgehend von der parallel entwickelten Marketingstrategie je Abteilung ein spezifisches Maßnahmenprogramm abgeleitet. Essenzieller Erfolgsfaktor in dieser Phase des Projekts war es, die Mitarbeitenden in den jeweiligen Abteilungen miteinzubeziehen. Dadurch konnte garantiert werden, dass die Bewertung der einzelnen Maßnahmen im Hinblick auf Umsetzungsdauer, -kosten und vor allem individuellem Zielbeitrag fachlich abgesichert und realistisch sind. Gleichzeitig wurde aufgrund des für alle transparenten Vorgehens eine starke Identifikation mit der Strategie und den gemeinsamen Zielen geschaffen. Im Rahmen eines neu etablierten Portfoliomanagementprozesses konnte die Maßnahmenumsetzung so zielgerichtet angestoßen und im Rahmen quartalsweiser Review-Termine zur Zielkontrolle fortlaufend überprüft werden. Neue Maßnahmen werden dabei fortlaufend in den Prozess aufgenommen, sodass flexibel auf sich ändernde Rahmenbedingungen auf dem Weg zur Zielerreichung reagiert werden kann.
Fazit und Ausblick
Mit dem entwickelten interdisziplinären Kundenwert-Ansatz wurden über alle Marketingabteilungen erfolgreich ein Zielsystem entwickelt, dass den Anforderungen der LVB gerecht wird. Zahlreiche Elemente aus dem OKR-Framework unterstützen dabei – ohne OKR in Gänze eingeführt zu haben. Die Basis für eine spätere vollständige Implementierung von OKR ist damit gelegt.
Das neue Zielsystem führt zu einer verbesserten Transparenz über Ziele und Maßnahmen, bei Mitarbeitenden, Führungskräften und Management. Wechselwirkungen werden schneller erkannt und helfen bei exogenen Veränderungen (z.B. Aufgabenträger und Gesetzgeber) die Folgen schneller einzuschätzen und neu Priorisierungen vorzunehmen.
Die verbesserte Transparenz und Outcome-Orientierung führt auch zu einer Zufriedenheitssteigerung bei den Mitarbeitenden, da deren individueller Beitrag auf Ziele und Kundennutzen nachvollziehbar wird. Aus Unternehmenssicht wird dadurch auch der Wertbeitrag des Marketingbereichs messbar gemacht.
“Wir haben – mit beeindruckender Geschwindigkeit und Effektivität – eine revolutionäre Marketingtransformation vollzogen, die wir als gemeinschaftlichen Erfolg feiern konnten.“
– Steffen Palm, Abteilungsleiter Marketingstrategie und Geschäftsentwicklung Leipziger Verkehrsbetriebe
Key Performance Indicators vs. Objectives and Key Results
In der vorliegenden Consulting News finden Sie einen Artikel zu KPIs (Key Performance Indicators) und einen zu OKR (Objectives and Key Results). Steht das in einem Widerspruch? Ganz klar: nein!
Ansprechpartner
Max Köppl
Max Köppl Director bei HPP und betreut mit seiner gesammelten Beratererfahrung vorwiegend die Automobilindustrie. Hier hat er sich neben anderen Themen in multiplen Projekten mit dem physischen Retail, Kundenzufriedenheit und den anfallenden Kosten im Retail beschäftigt.
Herr Köppl hat an der Hochschule Hof und der Universität Regensburg studiert. Auch in seiner Freizeit ist er großer Automobilenthusiast und Fußballfan.
Emmanuel Sauvonnet
Emmanuel Sauvonnet ist Director bei HPP. Er ist ausgewiesener Experte für die Entwicklung und den Ausbau neuer Geschäftsmodelle. Zudem ist er als Coach für Design Thinking und OKR aktiv und hat unter anderem das Design-Thinking Handbuch „Wo ist das Problem?“ mitgeschrieben und herausgegeben.
Emmanuel Sauvonnet ist verheiratet und spielt in seiner Freizeit gerne Golf.