OEMs mit Nachholbedarf bei der Vermarktung und dem Pricing digitaler Services
Fahrzeug per Handy entriegeln, online einen freien Parkplatz finden und bequem per Echtzeitverkehrsinformation die schnellste Route auswählen – digitale Services werden im Zuge des vernetzten Fahrzeugs von den OEMs bereits seit einigen Jahren entwickelt. Zwischen 20 und 25 fahrzeugbezogene Dienste haben Automobilhersteller durchschnittlich für ihre Kunden im Angebot, Tendenz steigend. Wir sind der Kernfrage nachgegangen, ob die Vermarktung der digitalen Services mit den Kundenanforderungen, die aus der digitalen Lebenswelt resultieren, übereinstimmt:
Klar strukturiertes Angebot
Kunden erwarten eine übersichtliche und vollständige Darstellung des für sie relevanten Serviceangebots. OEMs, die zahlreich Services zu unterschiedlichen Themen wie Navigation, Sicherheit, Entertainment oder Komfort anbieten, sind daher angehalten, diese in einer für Kunden nachvollziehbaren Art und Weise zu strukturieren.
Verständliche Leistungsbeschreibung
Immaterielle Leistungen sind vielmals erklärungsbedürftiger als physisch erfahrbare Produkte. Klares Verständnis über Funktionalität, Umfang und Leistungsvorteil stellen aus Kundensicht daher eine zentrale Prämisse für die Nutzung digitaler Services dar. OEMs sind dabei speziell in der Pflicht, Systemvoraussetzungen für die Vernetzung zwischen Auto und Smartphone und die Kompatibilität verschiedener Dienste mit Fahrzeugmodellen und Ausstattungsvarianten transparent darzulegen.
Hohe Individualisierbarkeit
Kunden geben sich selten mit „One size fits all“-Lösungen zufrieden. Die Bündelung einzelner Services zu Paketen bietet deutliche Vorteile, allerdings sind OEMs gut beraten, ihren Kunden bedarfsgerechte Freiheitsgrade im Hinblick auf Funktionsumfang, Preisgestaltung und Nutzungsdauer zu gewähren.
Klare Preisstruktur
Aussagefähige Preiskennzeichnungen der angebotenen Services ist aus Kundensicht ein branchenübergreifender Standard. Anbieter müssen klar machen, ob ein Dienst nur gegen Einmalzahlung zur Verfügung steht, ob – und in welchen Intervallen – eine Nutzungsgebühr anfällt und wie sich diese zusammensetzt. Auch gilt es, Preisdifferenzen zwischen einzelnen Services und Paketen stets auf Basis einer transparenten Nutzenargumentation nachvollziehbar zu machen.
Komfortable Buchung & Stornierung
Aus Digitalisierung resultiert oftmals Simplifizierung: Kunden erwarten daher auch einen einfachen und bequemen Zugriff (oder dessen Aufkündigung) auf digitale Services. OEMs sind aufgefordert, ihr Serviceangebot möglichst zentral über eine Plattform auszuspielen, denn jede zusätzliche App, jede weitere Kreditkartenhinterlegung und jede überdies notwendige Registrierung hemmt das Up- und Cross-Selling-Potential auf Kundenseite.
Schneller, sofortiger Dienstezugang
Die Ad-hoc-Verfügbarkeit der Dienste auf allen Endgeräten – und damit auch im Auto – ist aus Kundensicht ein wesentlicher Vorteil digitaler Services. Aus Anbietersicht gilt es daher eine reibungslose Verfügbarkeit des Angebots zu jeder Zeit zu gewährleisten.
Während sich in der Telekommunikations- und Medienindustrie historisch bedingt vielfach bereits entsprechende Benchmarks durchgesetzt haben, tasten sich die Automobilhersteller nur langsam in die profitable Vermarktung von digitalen Serviceangeboten vor. Im Vergleich zwischen den Automotive-OEMs zeigt sich ein verhältnismäßig homogenes Angebotsportfolio, welches zwar zumeist die Standardanwendungen wie Fahrzeug-Monitoring, Echtzeitnavigation und Remote-Steuerung abdeckt, darüber hinaus jedoch kaum Ansätze zur echten Differenzierung vom Wettbewerb bietet.
Strukturell verfolgen die OEMs eine von zwei Bundling-Strategien: die Bündelung nach funktionalen Gesichtspunkten, z.B. durch Anbieten eines in sich geschlossenen Navigations-Pakets oder die Bündelung entlang einer cross-funktionalen Logik, z.B. durch Anbieten von Paketen, die einzelne Dienste im Bereich Navigation, Sicherheit und Entertainment vereinen. Aus Kundensicht erweist sich die starre Vertriebsstruktur der Anbieter jedoch in doppelterweise nachteilig. Zum einen ist es für Kunden nicht immer intuitiv ersichtlich, welche Services in den Paketen enthalten sind oder welche Voraussetzungen für eine vollumfängliche Funktionalität gegeben sein müssen. Eine objektiv nachvollziehbare Preisdifferenzierung bleibt damit aus, da Kunden oftmals keine Transparenz über den Leistungsumfang haben. Zum anderen schränkt der reine Vertrieb von Paketen die Individualisierungsmöglichkeiten der Kunden erheblich ein, da die Services nicht einzeln (zu-)buchbar sind. Potentiale von Kunden, die lediglich an wenigen, definierten Services Interesse haben, bleiben außen vor.
In Summe erfüllen die meisten OEMs die Kundenerwartungen an digitale Services und deren Vermarktung noch nicht vollumfänglich, wodurch Potentiale unausgeschöpft bleiben. Aus HPP-Sicht ergeben sich vier zentrale Handlungsfelder für die OEMs:
Strukturierung des Angebotsportfolios auf Basis von Kundenanalysen
Um sich im wettbewerbsintensiven Markt für digitale Services von anderen Automobilherstellern und vor allem den großen Tech-Playern differenzieren zu können, ist es für OEMs unerlässlich, gezielt ihr Angebotsportfolio auf die Bedürfnisse ihrer Kunden abzustimmen. Da verschiedene Kunden(-segmente) auch unterschiedliche Schwerpunkte bei der Nutzung digitaler Dienste setzen, müssen OEMs in der Lage sein, passgenau Lösungen für die profitabelsten Use Cases anzubieten. Detaillierte Kundenanalysen auf Basis von Nutzungsdaten helfen dabei, die individuellen Bedürfnisse von Kernsegmenten im Servicekontext zu identifizieren und das Leistungsangebot entsprechend zu strukturieren.
Strategische Preissetzung
Die Vermarktung digitaler Dienste in Ergänzung zum eigentlichen Fahrzeug kann langfristig nur dann profitabel sein, wenn sie einer strategischen Bepreisung der einzelnen Dienste unterliegt. Ein heterogener Markt mit vielen Anbietern aus verschiedenen Branchen erschwert den OEMs dabei eine wettbewerbsorientierte Preissetzung. OEMs müssen ihre Dienste daher auf Basis der eigenen Zielgruppendaten an der Schnittstelle zwischen kundenseitiger Preisbereitschaft und profitabler Servicevermarktung einpreisen. Konkret gilt es zu beantworten: Welcher Dienst bietet für welche Kundengruppen einen Mehrwert? Wie hoch ist die zielgruppenspezifische Preisbereitschaft? Gibt es saisonale Schwankungen?
Kundenorientierte Preisbündelung
Nicht nur aus Anbietersicht, sondern auch für Kunden kann eine sinnvolle Bündelung von Services zu einem Paket wertstiftend sein. Erfüllt das Paket ein übergeordnetes Kundenbedürfnis, ist die Hemmschwelle für den Verbraucher bedeutend geringer, ein entsprechendes Gesamtpaket zu bestellen, als die jeweiligen Dienste einzeln zu kaufen. Für OEMs bietet sich dadurch die Möglichkeit, Verkaufswege für Services zu erschließen, welche für sich stehend absatzschwach sind. Eine Preisdifferenzierung innerhalb eines Dienstepakets, bspw. durch zwei Varianten mit unterschiedlichem Serviceumfängen, kann in diesem Kontext zusätzliche Potentiale erschließen. OEMs sollten jedoch stets gewährleisten, dass Kunden auch in der Lage sind, die zentralen Services individuell zusammenzustellen. Eine Analyse der Nutzungsdaten kann hier Aufschluss darüber geben, welche Dienste in Kombination nachgefragt werden und welche auch als Einzelposten umsatzstark sind.
Etablierung eines Churn Managements
Ist die Laufzeit eines Dienstes einmal abgelaufen, gilt es, dem Kunden Anreize zu bieten das Abonnement zu verlängern. Dieser Anreize sollte dabei möglichst auf die individuellen Bedürfnisse des Kunden und sein bisheriges Nutzungsverhalten abgestimmt sein. OEMs sind damit angehalten, ein aussagefähiges CRM-System im Kontext digitaler Services zu implementieren, auf dessen Basis gegenwärtige Kundengruppen entlang ihres Nutzungsprofils kategorisiert werden können. Die Pflege und Analyse dieser Daten ermöglicht es den OEMs, die Gründe für eine Abwanderung zu identifizieren, entsprechende Churn-Maßnahmen pro Kundengruppe abzuleiten und die Retention Rate für digitale Services somit langfristig zu optimieren.
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