Customer Intimacy – Datenschutz nicht nur als notwendiges Übel, sondern auch als Chance sehen
C. Karwehl, R. Desens
Wert von Daten und Daten-basierten Geschäftsmodellen
„Daten sind das neue Öl“ – das ist ein oft gehörter Ausspruch, wenn es darum geht, die Bedeutung und das Potential datenbasierter Geschäftsmodelle zu betonen. Es ist bekannt, dass Unternehmen, die es verstehen Kunden- und Nutzungsdaten zu sammeln, zu analysieren, mit Kontext anzureichern, in entsprechende Customer Insights zu übersetzen, um daraus kundenindividuelle Angebote (Produkte und Services) zu formen, höchst erfolgreich sind und am Kapitalmarkt entsprechend positiv bewertet werden. Schon seit einigen Jahren sind Unternehmen wie Amazon, Facebook, Tencent und Alibaba in der Liste der 20 wertvollsten Unternehmen gelistet – gleichermaßen stehen diese Unternehmen aber auch kontinuierlich in der Kritik bzw. sehen sich signifikanten Strafzahlungen ausgesetzt, wenn entsprechende Datenschutzauflagen missachtet werden.
Quer durch alle Branchen – unabhängig davon, ob wir uns Automotive, Telekommunikation, Energie, Chemie, Finanzen oder den Handel anschauen – setzen heutzutage die Player verstärkt auf Datenmonetarisierung bzw. datenbasierte Geschäftsmodelle mit dem Ziel, das Angebot zu optimieren, neue Ertragsquellen zu erschließen und die bestmögliche Customer Journey bzw. Experience zu implementieren. Hierzu ist es Grundvoraussetzung, dass die Vorschriften der DSGVO (in Deutschland, in EU GDPR) eingehalten werden und die Kunden der Sammlung und Verwendung von Kundendaten explizit zugestimmt haben (Customer Consent bzw. Opt-in).
Fehlendes Kundenvertrauen als Herausforderung
Mit jeder Transaktion, mit jedem Besuch einer Internetseite, mit jeder Autofahrt bzw. mit jedem Telefonanruf, aber auch mit jeder Interaktion mit dem Unternehmen hinterlassen Kunden eine Vielzahl an unterschiedlichen Informationen bzw. Daten. Ist den Kunden das bewusst? Wissen Kunden, welche Daten die Unternehmen von ihnen gesammelt haben und vertrauen sie ihnen, dass mit den Daten DSGVO-konform umgegangen wird? Spannende Fragen – wir haben daher Ende 2020 eine Befragung mit 200 Probanden durchgeführt und interessante Erkenntnisse daraus abgeleitet, die wir hier auszugsweise präsentieren:
- 72% der Befragten finden den Schutz der eigenen Daten wichtig bis sehr wichtig und beschäftigen sich daher auch aktiv mit Datenschutzthemen
- 63% wissen, dass die gesammelten Daten genutzt werden, um auf Basis von getätigten Transaktionen bzw. Käufen und Präferenzen individuelle Angebote zu erstellen
- 96% sind sich jedoch unsicher, welche konkreten Daten das Unternehmen / der Hersteller von ihnen gesammelt hat
- 51% beabsichtigen, Auskunft über die gespeicherten Daten zu beantragen
Zudem können wir konstatieren, dass
- 50% der Befragten ein geringes Vertrauen haben, dass Unternehmen / Hersteller vertrauensvoll und DSGVO-konform mit den Daten umgehen
- 74% ihr Misstrauen mit fehlender Transparenz bzgl. Datenhaltung und -verwendung begründen
- die Befürchtung, dass Daten an Dritte weitergebeben bzw. verkauft werden, von 30% der Befragten mit geringem Vertrauen geteilt wird
Dass 50% der Studienteilnehmer ein eher geringes Vertrauen haben, ist eine wertvolle Erkenntnis, da diese Probanden auch aussagen, dass sie nicht bereit sind bzw. sein werden, mit Unternehmen Daten zu teilen bzw. entsprechenden (werblichen bzw. vertriebsbezogenen) Verwendungszwecken zuzustimmen.
Somit geht Unternehmen / Herstellern hier die Hälfte des Marktpotentials bzw. der Zielgruppe „verloren“ was die Ertragsaussichten von datenbasierten Geschäftsmodellen entsprechend schmälert.
In diesem Kontext ist zu berücksichtigen, dass das Vertrauen der Probanden entlang ausgewählter Referenzunternehmen aus den Branchen Technologie, Telekommunikation, Streaming Dienste und Automobilhersteller gemäß unserer Untersuchung stark variiert. In diesem Vergleich schneiden vor allem die deutschen Automobilhersteller gut ab, wenngleich die Probanden diesen Unternehmen nur mittelmäßiges Vertrauen entgegenbringen (vgl. Abbildung). Klares Schlusslicht in dieser Betrachtung bilden die Tech-Unternehmen, wobei davon ausgegangen werden kann, dass negative Presse und allgemeine Datenschutzbedenken einen entsprechenden Einfluss auf die Bewertungen haben. Im Vergleich der Telekommunikationsunternehmen ist augenscheinlich, dass die Deutsche Telekom gegenüber Vodafone und O2 ein leicht höheres Vertrauen genießt, wobei dabei nicht ausgeschlossen werden kann, dass deutschen Unternehmen generell mehr Vertrauen entgegengebracht wird als ausländischen (bezogen auf den Stammsitz).
Vertrauen der Probanden entlang ausgewählter Referenzunternehmen
Handlungsempfehlungen aus Sicht HPP
Gemäß unserer Analyse empfehlen wir Unternehmen, die verstärkt auf Datenanalyse und daten-basierte Geschäftsmodelle setzen oder setzen wollen, folgende Aspekte als Grundlage des Handelns und der Kommunikation zu verankern:
- Erläutern Sie die Ziele sowie die Methodik der Datensammlung und erklären Sie dem Kunden den direkten und indirekten Mehrwert für ihn
- Betonen Sie, dass Ihr Unternehmen gemäß den DSGVO-Vorgaben agiert – weisen Sie Konformität ggf. mit entsprechenden Zertifikaten nach oder nutzen Sie Testimonials wie bspw. einen Vertreter aus dem Top Management, der als glaubwürdiger Markenrepräsentant fungiert
- Formulieren Sie entsprechende Werteversprechen und verständliche Richtlinien im Umgang mit Daten, insbesondere Kunden- bzw. Nutzungsdaten, betonen Sie Aspekte der Datensicherheit und seien Sie transparent bzgl. der Weitergabe an Dritte und des Nutzens für den Kunden daraus
- Stellen Sie die notwendige Transparenz her, damit Kunden in Eigenregie sehen können, welche Daten gespeichert sind und für welche Verwendungszwecke Consent bzw. ein Opt-in vorliegt
- Sorgen Sie dafür, dass die Kunden die Möglichkeit bekommen, die von Ihnen gesammelten Daten und deren Verwendungszwecke jederzeit einsehen und unmittelbar verändern zu können – bspw. über ein Kundenportal
- Stellen Sie eine nahtlose Customer Journey, d. h. die leichte Auffindbarkeit der relevanten Datenschutzaspekte im Rahmen Ihres Internetauftrittes bzw. Kundenportals sicher bzw. trennen Sie zwischen notwendigen AGB-Inhalten und der Integration der wesentlichen Informationen in den Kundenprozess bzw. das Surfverhalten
All diese genannten Aspekte haben das Potential, das Kundenvertrauen entsprechend zu steigern, wobei wir eine umfassende und ganzheitliche Realisierung empfehlen, um die größten positiven Effekte zu erzielen. HPP fasst diese Basismaßnahmen unter dem Begriff Customer Intimacy zusammen und sieht darin die maßgebliche Voraussetzung zur Steigerung des Kundenvertrauens und damit die Grundlage der Generierung weiterer Kundendaten und der (erweiterten) Freigabe für unterschiedliche Verwendungszwecke.
In Ergänzung hierzu empfehlen wir den Unternehmen / Herstellern, Customer Intimacy proaktiv zu vermarkten und als Differenzierungskriterium gegenüber der Konkurrenz zu nutzen. Wir verstehen darunter eine „prominente“ (d. h. nicht im Kleingedruckten versteckte) Vermarktung in einer verständlichen und gut strukturierten Art und Weise mit maximaler Relevanz für bzw. aus Sicht der Kunden.
Zu guter Letzt sehen wir Chancen, die Zustimmung der Kunden bezüglich der Aktualisierung und Anreicherung des Kundenprofils mit weiteren relevanten Daten, der Aktualisierung der Opt-ins sowie der Zustimmung zu konkreten Verwendungszwecken durch geeignete Anreizprogramme zu forcieren. Erste Analyseergebnisse deuten darauf hin, dass insbesondere monetäre Incentives wie bspw. spezielle Produkt-, Service- oder Nutzungsvergünstigungen geeignet erscheinen, für den Kunden „unkritische“ Informationen (bspw. Hobbies, Reiseziele, etc.) bzw. Daten zu sammeln und zu nutzen. Aus unserer Sicht lassen sich bezüglich des Wirkungsgrades spezifischer Anreizprogramme Unterschiede entlang der verschiedenen Kundengruppen feststellen.
Zusammenfassung & Ausblick
Die Umsetzung und Einhaltung der DSGVO-Vorschriften ist heutzutage für die meisten Unternehmen ein notwendiges Übel, um Strafzahlungen und negative Presse zu vermeiden. Wir meinen, dass Unternehmen die Sicht auf die DSGVO und insbesondere auf den allgemeinen Umgang mit Kundendaten grundlegend ändern und als Chance verstehen sollten. Die Kunden werden es danken, wenn die unternehmensinternen Leitplanken im Umgang mit Kundendaten proaktiv und transparent kommuniziert und aus dem AGB-Kleingedruckten hervorgehoben werden. Wir sind überzeugt, dass auf diese Art und Weise das Vertrauen der Kunden in Datensammlung, -analyse und -nutzung der Unternehmen signifikant gesteigert werden und die Grundlagen für kundenindividuelle Angebote und datenbasierte Geschäftsmodelle gefestigt werden können.
Prinzipiell müssen die Unternehmen sich die Frage beantworten, welche Datenschutzmaßnahmen über die DSGVO-Vorgaben hinaus notwendig sind, ohne dass die Hürden für Datenmonetarisierung zu hoch gelegt werden. Auf der anderen Seite ist zu analysieren und zu bewerten, wie viel Datenschutz-Kommunikation die Kunden (noch) wertschätzen und ab welchem Punkt diese Informationen als störend empfunden werden.
HPP wird die Analyse rund um Kundenvertrauen und die DSGVO kontinuierlich erweitern und ein entsprechendes Schlaglicht auf ausgewählte Industrien und Branchen werfen. Hier haben wir uns in den letzten Jahren mit unserem Partner migosens darauf spezialisiert, in gemeinsamen Projekten Unternehmen bei einer businessnahen Umsetzung der DSGVO zu beraten und dabei den Fokus auf die Realisierung von nachhaltigen Wettbewerbsvorteilen zu legen.
Im nächsten Schritt werden wir Leading Practices in der Automobil- und in der Telekommunikationsbranche identifizieren und Wettbewerber miteinander vergleichen.
Über weitere Erkenntnisse berichten wir in einer der nächsten Ausgaben der HPP Consulting News.
Ansprechpartner
Christian Karwehl
Herr Karwehl ist Director bei HPP und seit mehr als 15 Jahren Berater mit Fokus auf der Automobilindustrie. Er hat zahlreiche nationale und internationale Projekte in Europa, USA, China und Süd-Amerika verantwortet.
Nach 7 Jahren HPP hat er weitere 7 Jahre in einer internationalen Großberatung verbracht und ist 2019 zu HPP zurückgekehrt.
Christian Karwehl hat in Hannover Wirtschaftswissenschaften studiert. Er ist verheiratet und leidenschaftlicher MTB-Fahrer.
Robin Desens
Herr Desens ist Director bei HPP und seine Beratungskompetenz beruht auf mehr als 20-jähriger Praxis in diversen Branchen. Dabei liegen seine Schwerpunkte in der Automobil- und Telekommunikationsbranche. Bereits vor seinem Eintritt bei HPP war Herr Desens viele Jahre in einem internationalen Beratungsunternehmen tätig. Dort hat er große Projekte, unter anderem in der USA, betreut.
Robin Desens hat in Wiesbaden studiert. Er ist verheiratet, Vater eines Sohnes und leidenschaftlicher Musiker.
Titelbild: Khakimullin Aleksandr /shutterstock.com (611778962)